EU-Kommissar Nicolas Schmit, der EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, im Kontrovers-Interview
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Nicolas Schmit

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Ausgebeutete Fernfahrer: EU-Kommissar kritisiert Deutschland

Ausbeutungen bei vor allem osteuropäischen Speditionen sind ein offenes Geheimnis der Branche. Dabei ist die Lage gesetzlich klar, kritisiert EU-Kommissar Nicolas Schmit im Kontrovers-Interview: Deutschland aber komme dieser Verantwortung nicht nach.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Lage vieler Fernfahrer auf deutschen Straßen ist prekär und besonders bei ausländischen Lkw-Fahrern von Ausbeutung geprägt. Vor allem osteuropäische Speditionsunternehmen sind in der Branche laut Gewerkschaften bekannt dafür, oft nicht einmal den gesetzlich geregelten Mindestlohn für ihre Lkw-Fahrer zu bezahlen.

Dabei sieht das europaweit geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eindeutige Regeln vor, sagt der EU-Kommissar Nicolas Schmit im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers – es gelte sie jedoch auch zu respektieren. Der Luxemburger ist zuständig für Beschäftigung und soziale Rechte und kritisiert: Deutschland kommt seiner Verpflichtung nicht nach.

Wo kein Richter, da kein Henker?

Denn wie Recherchen von Kontrovers – Die Story zeigen, wurden Kontrollen häufig nicht ausreichend intensiv durchgeführt. Die Bundeskoordinatorin der DGB-Gruppe "Faire Mobilität" etwa kritisiert: Kontrolleure würden zwar unter anderem die Einhaltungen von Lenk- und Ruhezeiten prüfen, jedoch kaum die Einhaltung der Sozialvorschriften oder die Bezahlung der Fernfahrer.

Ein Problem, dass auch dem zuständigen EU-Kommissar Nicolas Schmit bekannt ist. Und er geht noch weiter: "Mehr Kontrollen sind absolut notwendig", sagt er im Kontrovers-Interview.

Dass in der Speditionsbranche gegen geltende Sozialvorschriften verstoßen wird, ist vor allem unter Gewerkschaftern längst bekannt. Wie stark die Abhängigkeiten der Fahrer von ihren Arbeitsverträgen und den beauftragenden Unternehmen sind, zeigt etwa ein Fall von Mitte April auf einem Rastplatz im Landkreis Günzburg: Ein Speditionschef soll seinen Angestellten angegriffen haben, nachdem der Lkw-Fahrer die Weiterfahrt wegen ausstehender Löhne verweigert haben soll.

Missstände in der Speditionsbranche: Wer ist verantwortlich?

Deutschland als Transitland vieler Speditionen werde dabei, laut Schmit, eine Verantwortung zuteil, "eben diese Kontrollen auf den Autobahnen und den Straßen durchzuführen".

"Ich nehme die Mitgliedsstaaten in Pflicht, ich nehme die Dienste in Pflicht, die damit beauftragt sind, die sozialen Normen zu kontrollieren, aber auch die Sicherheitsnormen, die gerade in diesem Bereich angewandt werden müssen." Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte

Die EU-Kommission könne nicht vor Ort kontrollieren, "das obliegt Deutschland als Mitgliedsstaat", kritisiert Nicolas Schmit im Interview mit Kontrovers. Doch wie Recherchen von Kontrovers – Die Story zeigen, sind die Kontrollstrukturen in Deutschland zersplittert – und haben damit nur wenig Wirkung.

Im Video: Ausbeutung auf Europas Straßen - Lkw-Fahrer am Limit

Zwei osteuropäische Lkw-Fahrer auf einem Rastplatz im März 2024
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Zwei osteuropäische Lkw-Fahrer auf einem Rastplatz im März 2024

Dieser Artikel ist erstmals am 17. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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